Mit Urteil vom 12.07.2018 (III ZR 183/17, BeckRS 2018, 16463) entschied der BGH, dass bei Tod des Kontoinhabers eines sozialen Netzwerks der Nutzungsvertrag nach §1922 BGB auf die Erben des Kontoinhabers übergeht. Der amtliche Leitsatz des BGH geht dabei insbesondere auf die Kommunikationsinhalte des Benutzerkontos ein und schließt ein entgegenstehen der (postmortalen) Persönlichkeitsrechte, etwaiger Datenschutzrechte oder das Fernmeldegeheimnis zu Vererbbarkeit des Benutzerkontos als Hinderungsgrund aus. Der zugrunde liegende explizite Sachverhalt wird im BGH Urteil III ZR 183/17 näher ausgeführt.
Neben der rechtlichen Betrachtung und Wertung der Vererbbarkeit des Vertragsverhältnisses, dem postmortalen Persönlichkeitsrecht und dem Fernmeldegeheimnis, hat sich der Senat ausführlich der Anwendung der DSGVO im Anspruch der Klageparteien gewidmet. Im o. g. Fall ist auf die DSGVO aufgrund des Bestrebens der Klägerin, eine künftige Handlung der Beklagten zu begehren, gem. Art. 99 Abs. 2 DSGVO abzustellen. Dabei sind nicht ausschließlich zwingende rechtliche Erwägungsgründe heranzuziehen sondern ergänzend ideelle Interessen abzuwägen und ggf. zu berücksichtigen. Der Senat hat dabei jedoch offen gelassen, ob das digitale Vermögen, in diesem Fall der SocialMedia Nachlass, tatsächlich in den Anwendungsbereich der DSGVO fällt. Der Senat kommt im bezugnehmenden Fall unter Berücksichtigung der Interessen der Kläger zu dem Schluss, dass die Interessen der Erben in diesem Fall höher zu gewichten sind, als die anzunehmende Vertraulichkeit der (Kunden-) Kommunikation.
Damit hat der Senat mit seinem Urteil deutlich gemacht, dass der aktuelle Sachstand in der nationalen Gesetzgebung durchaus in der Lage ist, den zunehmenden Digitalisierungsprozessen gerecht zu werden und zu interessensgerechten Lösungen führen kann. Dem Urteil kommt aufgrund der immanenten Bedeutung der Vererbbarkeit digitaler Inhalte („digitales Vermögen“) besondere Bedeutung zu. Mit Bezug auf die Universalsukzession im Erbrecht verneint der Senat dabei ausdrücklich jedwede Differenzierung zwischen digitalem und analogem Nachlass (-vermögen) um weiterhin die Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Datenhaltung bei allen Anbietern digitaler Dienstleistungen zu optimieren. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die aktuelle höchstrichterliche Entscheidung auf keine spezifische SocialMedia Plattform Bezug nimmt sondern allgemeine Gültigkeit auf den Adressatenkreis besitzt. Unter Berücksichtigung der Interessensgründe kann es somit zu weitreichenden Herausgabeansprüchen bei Inhalten und datenschutzrelevanter Informationen durch anfragende Berechtigte (z. B. Erbengemeinschaft) an serverbetreibende Stellen oder Konzerne kommen. Ausgehend vom aktuellen Urteil und unter Berücksichtigung der Universalsukzession des Erbrechts gehen nach aktuellem Verständnis in der Rechtsprechung alle Rechte und Pflichten respektive Dateien aus möglichen Schuldverhältnissen auf die Erbengemeinschaft über, unabhängig davon, ob ein Personenbezug vorliegt oder nicht.
Anwendungsbeispiel: Das Fotografieunternehmen mit den Inhabern X und Y betreibt eine cloudbasierte Datensicherung sowohl für die eigenen, unternehmensbezogenen Daten (z. B. Buchhaltung) als auch für personenbezogene Inhalte (z. B. Bildmaterial) der Kunden. Kommt es zum Ableben eines der Inhaber, ist es nach aktueller Rechtsprechung unverhältnismäßig, dass der weitere Inhaber nicht über die (betrieblich notwendigen) Daten und Informationen verfügen kann. Dabei ist es aktuell unerheblich, ob es sich um private oder betrieblich notwendige Informationen handelt insbesondere da regelmäßig davon auszugehen ist, dass eine technische Unterscheidung schwer möglich und zudem rechtlich nicht notwendig ist. Es ist regelmäßig anzunehmen, dass Fotografieunternehmen im Falle des Ablebens der Inhaber keine oder unzureichende Möglichkeiten haben den Interessensgründen der Erbengemeinschaft eines Kunden bei einer Herausgabeanforderung z. B. personenbezogener Daten nachzukommen.
Neben den Konsequenzen für Anbieter von Kommunikationsplattformen von SocialMedia-Kanälen können die Auswirkungen für Dienstleister unter Nutzung z. B. cloudbasierter Lösungen erheblich sein. Wie auch bei der DSGVO kommt es neben der inhaltlichen insbesondere auf die prozessuale Umsetzung bei einer vorliegenden Betroffenheit an. Das Urteil des BGH macht einmal mehr deutlich, dass Unternehmen neben der Umsetzung gesetzlicher Anforderungen gleichzeitig die Auslegungen und Urteile in ihrem Umsetzungsprozess berücksichtigen müssen.